Von der Pfanne zum Halbleiter:
INNOVATIONSPREIS - Dr. Christoph Stecher hat Großen der Beschichtungsbranche das Fürchten gelehrt
"Der 3-Sternekoch Juan Amador legt sich für sie ins Zeug – für die Pfannen und Töpfe aus Wilhelmshaven. Der Mann hat höchste Ansprüche, macht keine Kompromisse. Etliche Michelin-Sterne sind schon für ihn aufgegangen. In seinem Glanz sonnt sich der Wilhelmshavener Kochgeschirr-Hersteller acs-Coating Systems GmbH. Pfannen pressen können auch andere. Das Besondere ist die Beschichtung – eine Eigenentwicklung der acs Coating Systems, genauer gesagt des promovierten Physikers Dr. Christoph Stecher (60). „Mit dieser Beschichtung sind wir der Konkurrenz zehn bis zwanzig Jahre voraus“, meint Stecher. Kennzeichen der Beschichtung sind neben ihrer mechanischen Widerstandsfähigkeit ihre Hitzebeständigkeit, ihre Antihafteigenschaften und vor allem die Tatsache, dass sie ohne Teflon oder ähnliche chemische Zusammensetzungen (PFAS) auskommt, die im Verdacht stehen, die Gesundheit zu gefährden. Sie funktioniert auf keramischer Basis.
Vater Friedhelm gründete 1987 Ingenieursbüro
Acs verfügt darüber hinaus mittlerweile über ein Portfolio an neuen Beschichtungen für die verschiedensten Anwendungsbereiche, von Brennstoffzellen bis Windenergie, die, wie Stecher versichert, den bisher verwendeten „Teflonbeschichtungen“ überlegen sind und die „Teflon“ überflüssig machen. Dafür wurden zuletzt vier neue Patente angemeldet, weitere sind in Arbeit. Dies überzeugte die Juroren des ersten Wilhelmshavener Innovationspreises, den Betrieb als Preisträger in der Kategorie Bestandsunternehmen auszuzeichnen. Die Firma acs Coating Systems gäbe es nicht ohne die ehemaligen Olympia-Werke. Die nämlich gaben Stechers Vater Friedhelm in den frühen 90er-Jahren eine wichtige Starthilfe. Der Ingenieur war zuvor Entwicklungsleiter eines großen Automobil-Zulieferers. Mit den von ihm als jungem Ingenieur entwickelten patentierten Zylinderkopfdichtungen verdiente das Unternehmen viel Geld, weswegen sich Friedhelm Stecher entschloss, künftig auf eigene Rechnung zu handeln. Er gründete 1987 sein eigenes Ingenieurbüro und später das Unternehmen STE Dichtungstechnik.
Unterdessen studierte Christoph Stecher Physik und half seinem Vater bei der Entwicklungsarbeit in dessen Ingenieurbüro in Köln. Ihr Ziel war, eine neue besonders widerstandsfähige Zylinderkopfdichtung aus geprägtem Stahl zu erfinden.
Schnell stellte sich heraus, dass die üblichen Teflon- und Gummibeschichtungen dafür nicht dauerhaft genug waren. Stechers veränderten die Chemie und setzten ein neues Hochleistungspolymer mit nur wenig Teflon ein. Als Erste in der Branche entwickelten sie eine Pulverbeschichtung für Dichtungen, die statt in einem Nassverfahren in einem elektrostatischen Verfahren aufgetragen wird, um danach in einem Ofen eingebrannt zu werden.
Für diese Entwicklungsarbeit und spätere Anwendung brauchten sie einen industriellen Partner – die Olympia-Werke boten sich an. Hier suchte man nach Möglichkeiten, die Produktpalette zu ersetzen – statt Schreibmaschinen konnten es auch Zylinderkopfdichtungen sein. Olympia gehörte damals über AEG zum Daimler-Konzern, dessen Automobilbau als Abnehmer infrage kam.
Stecher erster Mieter im Gründerzentrum
„Man räumte meinem Vater eine halbe Halle mit Maschinen ein, wo die Entwicklungsarbeit mit beigestellten Olympia-Mitarbeitern praktisch umgesetzt wurde“, erzählt Christoph Stecher. Doch dann ging Olympia pleite. Wilhelmshavens damaliger Wirtschaftsförderer Gernot Beutner überzeugte Stecher, als erster Mieter im frisch fertiggestellten Gründerzentrum 1993 in die Kutterstraße einzuziehen. Dort setzten Stechers mit der neu gegründeten STE Dichtungstechnik mit den übernommenen Olympia-Mitarbeitern die Entwicklungsarbeit fort, finanziert durch Venturekapital.
Stecher junior, damals gerade Ende zwanzig, war da nicht nur in die Entwicklungsarbeit, sondern auch in die Vertragsverhandlungen vom Vater einbezogen und wechselte 1996 komplett zur STE. „Wir gingen damals ein hohes persönliches Risiko ein. Aber wir glaubten an unser Produkt, beschäftigten mit unserer Entwicklungsarbeit am Ende 14 Leute, ohne größere wirtschaftliche Einnahmen zu haben“, erzählt Stecher.
Die ersten Markterfolge bei VW, Audi und BMW ließen die Branche ab dem Jahr 2001 aufhorchen. Die von STE entwickelte einlagige Dichtung erwies sich als widerstandsfähiger als aufwändiger hergestellte Konkurrenzprodukte, was, so Stecher, deren Geschäftsmodell bedrohte. Denn das bestand aus mehrlagigen Dichtungen mit bis zu sechs Lagen Federstahl, deren Verkauf schöne Gewinnmargen generierte. Die Eine-für-alles-Dichtung störte.
Die Phalanx zu durchbrechen, bewerteten Stechers nach mittlerweile zehn Jahren teurer Entwicklungsarbeit als wenig vorteilhaft. Sie verkauften ihre Patentrechte für die Zylinderkopfbeschichtungen exklusiv an einen der übergroßen Konkurrenten und suchten sich neue Betätigungsfelder für ihre neuartige Beschichtung. Denn das schloss der Kaufvertrag nicht aus.
Neue Fertigung soll viel Energie einsparen
So kamen sie auf Pfannen. Doch während Friedhelm Stecher auch am Motorenbau festhielt, sah Christoph Stecher darin keine Zukunft mehr. Vor 15 Jahren schon kam er zu der Überzeugung, dass der Verbrennermotor keine Zukunft habe. Er gründete 2008 sein eigenes Unternehmen acs und entschied sich, anderes mit den Neuentwicklungen zu beschichten – neben Pfannen, Töpfen und Backblechen auch Produkte für die Halbleiterherstellung, Maschinenlager oder was auch immer.
Zunächst entwickelte und produzierte das junge Unternehmen im Voslapper Gründerzentrum, bevor es 2013 in seine neue Produktionshalle auf der anderen Seite der Kutterstraße umzog und bereits 2016 eine weitere Halle baute. 2019 führte Stecher mit Zustimmung seiner Mitarbeiter in der Produktion die Viertagewoche ein und ließ 2021 Photovoltaik auf allen Hallendächern installieren. 2023 wurde die erste Anlage für Laserbeschichtungen fertiggestellt. Mit dieser Technologie sollen zukünftig bis zu 95 Prozent (fossiler) Energie gespart werden."
Quelle: WZ (Wilhelmshavener Zeitung); Erscheinungsdatum: 16.10.2023; Nr. 241; S.6